C. Pfister: Der antike Berner Bär

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Titel
Der antike Berner Bär. Die Vorgeschichte einer mächtigen Stadt


Autor(en)
Pfister, Christoph
Erschienen
Fribourg 2002: Dillum Verlag
Anzahl Seiten
190 S.
Preis
€ 17,00
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Thomas von Graffenried

Der Autor Christoph Pfister glaubt, es sei ihm gelungen, die Anfänge Berns im Altertum zu erhellen. Dessen Vorgeschichte sieht er kontinuierlich in die uns seit jeher vertraute mittelalterliche Geschichte Berns übergehen. Beide Zeiten liegen für ihn nahtlos beieinander. Der keltische Ursprung Berns ist durch Besiedlung und Befestigung in gallorömischer Zeit belegt. Sprache, Brauchtum, Siedlungsorte und Ortsnamen haben sich von damals bis heute prägend erhalten. Der Autor folgert aus zahlreichen Belegen, dass sich die Stadt Bern innerhalb weniger Jahrzehnte von einer «antiken» in eine «mittelalterliche» Siedlung verwandelt hat. Diese uns aus archäologischen Funden und Belegen vertrauten Epochen liegen für ihn nahe beieinander. Die Geschichte der Stadtgründung durch die Zähringer wird als Sage abgetan. Die glaubwürdigen Quellen zur Stadtgeschichte seien erst ab Ende des 15. Jahrhunderts fassbar.

Die Vorgeschichte Berns wird aus archäologischen Zeugnissen erschlossen und gedeutet. Der keltische Berner Bär ist inschriftlich bezeugt und wurde bei Muri als Bärengöttin Artio verehrt. Die betreffende Figurengruppe wurde dort 1832 gefunden. Die Arena auf der Engehalbinsel könnte ein Vorläufer des Bärengrabens gewesen sein. Im Stadtgebiet waren Schütthalde und Münzgraben Reste von Aare-Einschnitten. Es kann angenommen werden, dass sich ein keltisches Oppidum mit gerundetem Grundriss zwischen Kreuzgasse und Zytglogge befunden hat. Darauf weist die Bogenstruktur der Brunngasse hin. Die grossen keltischen Oppida waren Befestigungen mit Wällen und gradlinig angeordneten Strassen. Von Caesar erfahren wir, dass Helvetier 12 Oppida und 400 Dörfer bewohnten. Auch auf der Engehalbinsel befand sich ein typisches Oppidum des schweizerischen Mittellandes.

Im 18. Jahrhundert fand man beim Bau der bernischen Heiliggeistkirche römische Votivbeilchen. Auch der Chor der Französischen Kirche kann über einer antiken Kultstätte angelegt sein. Im 19. Jahrhundert fand man im Münster Bruchstücke von römischen Ziegeln und Backsteinen. Der Patron des Münsters, St. Vinzenz, ist für Flösser, Schiffer und Ziegelbrenner zuständig. Vielleicht gab es schon in antiker Zeit auf stadtbernischem Boden eine Ziegelbrennerei und einen ähnlichen Kult. Der Autor erläutert auch die Möglichkeit, dass das Berner Münster an Stelle einer keltischen Viereckschanze errichtet wurde. Diese typischen keltischen Bauwerke mit Wällen und Gräben dienten nicht der Verteidigung, sondern vielleicht kultischen Zwecken. Ähnliche Anlagen sind auch zu erkennen im Bremgartenwald, bei der Halenbrücke westlich vom Glasbrunnen.

1984 wurde im Thormannbodenwald ein Zinktäfelchen gefunden mit lateinischer Inschrift in griechischen Buchstaben. Dort wird mit dem Namen Brenodurum wahrscheinlich die keltisch-römische Siedlung auf der Engehalbinsel genannt. Im Bernbiet begegnen wir auch weiteren griechischen Spuren, welche die Kelten hinterliessen. Neben der Hydra von Grächwyl ist das Kroisosschwert von Port zu nennen. Bei Caesar, de bello Gallico 1, 29 erfahren wir, dass die Römer im Lager der Helvetier Tafeln mit griechischer Schrift gefunden hätten, auf denen das Volk nach Ortsnamen und Stämmen registriert wurde. Am Römerbad auf der Engehalbinsel sind Begriffe aus der griechischen Sprache zur Orientierung angebracht. Sie stammen eventuell aber auch aus neuerer Zeit.

Die Aare bildete in der Gegend der Engehalbinsel ein System von Flussschleifen, welche ein markantes Hochplateau umschlossen. Die für Befestigungen günstig gelegene Halbinsel erweitert sich beim Zehendermätteli und im Osten zur Tiefenau und dem dort anschliessenden Thormannbodenwald. Es gab hier fünf isolierte Wallanlagen. Ein noch sichtbarer Rest davon ist der so genannte Keltenwall von ca. 300 m Länge beim Zehendermätteli. Wohl aus derselben Epoche stammt der 1850 gemachte Massenfund in der Tiefenau mit Schwertern, Fibeln und anderen Metallgegenständen. Vom Vicus der Römerzeit sind ausser dem Bad Spuren dreier Vierecktempel, eines Korridorbaus und einer Arena erhalten geblieben. Dieser Rundbau soll nach Ansicht des Autors auch dazu gedient haben, zur Berechnung des Jahreskalenders die Sonne zu beobachten. Die Aareschlaufen bei Bern und in der Enge umschlossen in vorgeschichtlicher Zeit zwei Siedlungen, welche in derselben Epoche nebeneinander existiert
haben sollen.

Die Landvermessung der Kelten soll die Landschaft grossflächig erfasst haben. Sie bediente sich vielfältiger und zum Teil eigens zu diesem Zweck errichteter Fixpunkte. Als solche dienten unter anderem Findlinge, Schalensteine und Steinhaufen. Nach Meinung des Autors schuf diese keltische Landschaftsgeometrie ein Liniensystem in Form eines Doppelquadrats, in dem sowohl Bern als auch Brenodurum auf der Engehalbinsel wichtige Bezugspunkte waren.

Dem Autor ist es zweifellos gelungen, die Anfänge Berns in neue Zusammenhänge zu stellen. Er hat seit Jahrzehnten in der Umgebung Berns geforscht und weist ausführlich auf die keltischen Wurzeln Berns hin. Die angeblich mittelalterliche Gründungszeit bleibt für ihn in vieler Hinsicht sagenhaft. Bei der Auswertung seiner neueren Ergebnisse geht der Autor recht unorthodoxe Wege. Nach langen Beobachtungen und Forschungen kommt er zu chronologischen Resultaten, welche von den bisherigen Lehrmeinungen erheblich abweichen. Das Buch ist ein Beitrag zur bernischen Lokalgeschichte, mit dem viele Einzelheiten neu interpretiert werden.

Zitierweise:
Thomas von Graffenried: Rezension zu: Der antike Berner Bär. Die Vorgeschichte einer mächtigen Stadt, 2. Aufl. Fribourg, Dillum Verlag, 2002, 190 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 65, Nr. 4, Bern 2003, S. 216f.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 65, Nr. 4, Bern 2003, S. 216f.

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